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Fastnachtsumzüge für immer abgesagt?

Die Absagen der Fastnachtsumzüge gehen quer durchs Land: Grünstadt, Bad Dürkheim, Weisenheim am Sand, Maxdorf, Frankenthal, Germersheim, Wörth, Bellheim, aber auch der große gemeinsame Umzug in Mannheim-Ludwigshafen – und nicht zu vergessen der Nachtumzug im kleinen vorderpfälzischen Gönnheim.

Vielleicht erinnert sich der eine oder andere, dass man vor zehn oder zwanzig Jahren noch ganz unbürokratisch Straßenfastnacht feiern konnte, dass auch während der Sommermonate ganz unproblematisch größere Weinfeste oder Kerweumzüge stattfinden konnten. Nicht zu vergessen der sehr beliebte und hunderttausendfach besuchte Erlebnistag Deutsche Weinstraße (siehe der Artikel hier), an dem ganze Ortschaften entlang der Weinstraße teilgenommen haben.

Unbeschwert feiern? Das geht nicht mehr!

Unbeschwert feiern können – das war einmal, das geht nicht mehr so einfach. Seitdem in Nizza am 14. Juli 2016 ein Lastwagen in eine Waffe verwandelt wurde und 86 Menschen getötet wurden, seitdem in Berlin am 19. Dezember 2016 mit einem LKW den Weihnachtsmarkt in eine Trümmerwüste mit 13 Todesopfern verwandelt wurde, seitdem noch weitere Autofahrer mit Amokfahrten für Todeszahlen sorgten – seitdem ist klar geworden, dass die Sicherheit auf den Straßen auch hier in Deutschland gegenüber solchen Anschlägen nicht mehr gegeben ist.

Mit Sicherheitskonzept und TÜV feiern? Wer kann sich das leisten?

Aber: Seitdem das rheinland-pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG) vor zwei Jahren geändert wurde, können sich nicht-professionelle Veranstalter wie Karnevals-Vereine oder andere Initiativen wegen der hohen Auflagen kaum noch große Feste leisten.

Eigentlich gelten die Vorschriften für Veranstaltungen ab 5000 Besuchern und aufwärts, ein Sicherheitskonzept mit allem Drum und Dran ist ab 15000 Besuchern erforderlich.

Aber: für Umzüge mit Wagen kommen jetzt noch verschärfte TÜV-Vorschriften obendrauf: früher reichte es, wenn das Zugfahrzeug (in der Regel ein Traktor) den TÜV und der Fahrer einen Führerschein hatte. Das reicht jetzt nicht mehr, jetzt müssen die Wagen erst durch den TÜV, bevor sie auf dem Umzug eingesetzt werden dürfen. Für jeden Wagen dürften damit um die 100 EUR an Kosten zu stemmen sein – bei 20 Wagen kommen da locker 2000 EUR zusammen – für kleinere Vereine ist das kaum zu stemmen.

Was ist mit einer vernünftigen, praxisgerechten Gesetzgebung?

Das ist Politik in Deutschland: gut gemeint, aber miserabel umgesetzt. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass in parlamentarischen Gremien zu viele das Sagen haben, die von der Praxis keine Ahnung haben, dass zu viele politische Ämter nicht mehr nach Kompetenz und Befähigung vergeben werden, sondern nach Parteibuch. Und „das richtige“ Parteibuch zu haben, scheint für gute Gesetzgebung oder Verwaltung nicht förderlich zu sein, im Gegenteil. Als Bürger würde man sich wünschen, dass weniger Parteipolitik und mehr Fachpolitik gemacht wird.

Aus diesem Grund fordern wir Liberal-Konservativen Reformer (LKR) in unserem Parteiprogramm, dass der Parteienstaat endlich einmal gründlich reformiert werden müsste:

Deutschland braucht endlich wieder unabhängige Parlamentarier, die sich zuallererst dem Wohl des deutschen Volkes und nicht der Sicherung der eigenen politischen Karriere verpflichtet fühlen. Parteien dürfen nicht in erster Linie als Sammelbecken für Karrieristen dienen.

Aus dem Parteiprogramm der LKR, Abschnitt XXI. (Demokratie erneuern, Parlament reformieren, Parteienstaat zurückschneiden)

Nachtrag vom 10. Februar: wie der Zeitung zu entnehmen ist, wollen die Fastnachter in Morschheim ihren Fastnachtsumzug trotz aller Beschwernisse auf den Weg schicken. Morschheim ist ein Dorf im Donnersbergkreis mit bisschen mehr als 700 Einwohnern, aber der Fastnachtsumzug war wichtig, weil es auch das 60. Umzugsjubiläum war, das gefeiert werden sollte.

Bereits im Herbst hatte der Morschheimer Carneval Club (MCC) sein Konzept eingereicht, das nochmals nachgebessert werden musste. Aufgabe für eine Genehmigung war unter anderem,

  • Zufahrtswege und Zugstrecke zu sperren
  • 400 Parkplätze auszuweisen
  • für Toilettenhäuschen und Müllcontainer zu sorgen
  • usw.

Nur weil die Morschheimer zusammengehalten haben, weil Landwirte bereits waren, ihre Flächen oder Hofeinfahrten als Parkplätze nutzen zu lassen und weil die Feuerwehren aus der Umgebung zugesagt hatten, die Straßensperrungen zu sichern, konnte das Konzept erfüllt werden.

Am Ende mussten die Umzugswagen noch durch den TÜV. Pro Wagen mussten 350 EUR bezahlt werden, bei einem Wagen musste nachgebessert werden – bei 25 Wagen à 350 EUR geht auch das ganz schön ins Geld!

Wenn man überlegt, dass in kleinen Dörfern in Rheinland-Pfalz über Jahrzehnte hinweg Karneval und Kerwen gefeiert werden konnten, ohne dass umfassende Konzepte eingereicht und TÜV-Abnahmen samt TÜV-Gebühren fällig wurden, kann man nur sagen: Deutschland bzw. in diesem Fall das Land Rheinland-Pfalz bürokratisiert sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell zu Tode …

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